Wir beantragen:
Der Oberbürgermeister geht in Verhandlungen mit dem Land Baden-Württemberg zu einer Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA).
Die Stadtverwaltung wird angehalten, das Land bei deren Suche nach einem Standort einer LEA aktiv zu unterstützen. Zusätzlich soll sie nach einer Entscheidung der Standortwahl prüfen, in dem betroffenen Bezirk die Plätze in den nahegelegenen Unterkünften zu reduzieren, um den Stuttgarter Weg und eine solidarische Verteilung der geflüchteten Menschen in ganz zu Stuttgart zu gewährleisten.
Bei den Verhandlungen mit dem Land Baden-Württemberg sollen zudem folgende Punkte vereinbart werden:
- Damit die Bedarfe der Menschen, die dauerhaft im Bezirk der verorteten LEA leben, ebenfalls nicht aus dem Fokus geraten, muss die Landesregierung Maßnahmen zur Sicherung der Lebensqualität der Menschen vor Ort zusichern.
Sollte die LEA im Bezirk Weilimdorf verortet werden, könnte hier die Sanierung der Sporthallen, die durch die Vereine genutzt werden, eine Maßnahme sein. Die Aufwertung des Stadtteilzentrums Weilimdorf rund um den Löwen-Markt und entlang der Pforzheimer Straße in Verbindung mit der Möglichkeit zu kulturellen Angeboten, wie im Rahmen des Projektes Stadtteilzentren konkret geplant, könnte ebenfalls eine Alternative sein.
Für den Bezirk Obertürkheim könnte die Aufwertung des Obertürkheimer Marktes oder die Fortführung der Buslinie 101 nach Untertürkheim in Verbindung mit einer besseren Taktung eine Maßnahme sein.
Für den Bezirk Süd ist die Entwicklung der B14/B27 als neuen Stadtraum ein Beispiel.
Für Vaihingen kann die Sanierung bzw. der Bau einer Sporthalle für alle Menschen vor Ort eine Möglichkeit sein.
Für Bad Cannstatt ist die Aufwertung des Neckarufers (Stadt am Fluss) eine mögliche geeignete Maßnahme.
Damit die Bedarfe der Menschen vor Ort tatsächlich befriedet und die Aufenthaltsqualität langfristig gesteigert werden kann, soll eine Bürger*innenbeteiligung durchgeführt werden, um die tatsächlich geeigneten Maßnahmen zu identifizieren und um die Akzeptanz zu erhöhen.
Zusätzlich ist es wichtig, dass sich die verschiedenen Ministerien mit der Verwaltung der Stadt Stuttgart bei herausfordernden Maßnahmen konzeptionell austauschen, um diese gleichmäßig im Stadtgebiet zu verteilen.
- Für die betroffenen geflüchteten Menschen muss die Infrastruktur der LEA an sich konzipiert werden. Hierzu gehören eine bedarfsgerechte Infrastruktur sowie bedarfsgerechte Angebote, die auf die Gegebenheiten des Bezirks abgestimmt werden.
Zu einer bedarfsgerechten Infrastruktur gehören:
Mobile Treffpunkte: Ein Jugendbus oder ein flexibel einsetzbarer Bauwagen kann hierbei als Anlaufstelle dienen.
Niedrigschwellige Räume: Hierzu zählen zentrale, geschützte Orte außerhalb der LEA, die einen Rückzugsort und sozialen Austausch ermöglichen.
Freizeitflächen: darunter könnten Bolzplätze, Calisthenics-Anlagen oder andere offene Sportflächen in der Nähe der LEA gefasst werden.
Digitale Infrastruktur: Hierzu gehören WLAN-Zugänge und Computerstationen für Kommunikation mit Familie oder zu Bildungszwecken sowie Leihgeräte mit Apps zum individuellen Lernen.
Sicherheit: Die Gefahrenlage für Einrichtungen mit geflüchteten Menschen spitzt sich über den vergangenen Jahren zu, weshalb eine Polizeistation in/an einer LEA zur Sicherheit in dieser beitragen kann. Zusätzlich kann eine Polizeistation bei einer LEA ebenfalls das subjektive Sicherheitsgefühl für alle Menschen in dem Bezirk gestärkt werden. Gewaltschutz-Konzepte & Safer Spaces für besonders vulnerable Personen, tragen ebenfalls einen wichtigen Teil zur Sicherheit und dem subjektiven Sicherheitsempfinden an einem Ort bei. Zusätzlich müssen mindestens 50 Plätze für queere Personen und traumatisierte Frauen, bestenfalls in einem eigenen Gebäude, geschaffen werden.
Nahversorgung: Für eine adäquate Nahversorgung sollten ein ÖPNV Anschluss möglichst direkt an der LEA sowie Einkaufsmöglichkeiten für Lebensmittel und weitere Grundgüter realisiert werden.
Zu bedarfsgerechten Angeboten gehören:
Beratung: Sozialpädagogische Beratung zu Themen wie Asylverfahren, Wohnsituation, psychischer Gesundheit, wie auch Begleitung zu Behörden oder Unterstützung bei Anträgen und Formularen. Fachberatung für Trauma und queere Themen müssen ebenfalls ein Bestandteil sein.
Tagesstruktur: Für die Tagesstrukturierung bedarf es ebenfalls entsprechender Angebote. Hierzu zählen: Empowerment-Workshops zu Themen wie Selbstbehauptung, Rechten und Partizipation und Sprachkurse & Nachhilfe für eine schnellere Integration ins Schulsystem oder den Arbeitsmarkt. Des Weiteren gehören dazu ein schulisches Angebot nach dem Konzept der Lernwerkstatt, Medienkompetenztrainings zur Stärkung digitaler Fähigkeiten, wie auch Kinderbetreuung vor Ort.
Gesundheit: Die medizinische Grundversorgung muss ebenfalls ein Teil der Angebotsstruktur sein, dabei muss die medizinische und therapeutische Versorgung der Menschen in der LEA gewährleistet und sollte im Bedarfsfall für die Menschen vor Ort geöffnet werden. Ein weiterer Baustein für die medizinische Grundversorgung ist Prävention in Form von Aufklärungsarbeit zu Gesundheitsthemen (z. B. psychische Gesundheit, Sexualaufklärung).
Integration und Freizeit: Offene Treffpunkte und Begegnungscafés für Austausch zwischen geflüchteten und einheimischen Personen. Freizeit- und Sportangebote (z. B. Fußball, Tanz, Skateboarding, Schwimmen) sowie Kreativworkshops (z.B. Graffiti, Musik, Theater, Medienprojekte) und Gemeinschaftsprojekte mit lokalen Vereinen oder Schulen zur sozialen Integration. Um Ressourcen zu sparen und Synergie Effekte mit den etablierten Strukturen in Stuttgart zu nutzen, sollte die Netzwerkarbeit ebenfalls ein fester Bestandteil der Steakholder der LEA sein. Hierzu gehört unter anderem die Zusammenarbeit mit Sozialarbeit, Schulen, Sportvereinen, Kulturträgern und Ehrenamtlichen sowie die Kooperation mit lokalen Initiativen zur Förderung von gesellschaftlicher Teilhabe und eine enge Vernetzung mit Asylberatungsstellen und therapeutischen Einrichtungen.
Begründung:
Im letzten Jahr sind 122, 6 Millionen Menschen weltweit gezwungen gewesen, ihre Heimat zu verlassen – nie war die Zahl der Geflüchteten höher. Wir stehen auch auf Grund der deutschen Geschichte in der Pflicht, diesen Menschen zu helfen und das haben wir in der Vergangenheit getan und das wollen wir auch in Zukunft tun. Die adäquate Unterbringung von Menschen auf der Flucht ist ein humanitäres Grundrecht. Stuttgart muss, kann und soll diese Verantwortung für geflüchtete Menschen übernehmen. Und zwar auch landesweit. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Stadt Stuttgart mit einer LEA ein Fünftel Menschen weniger aufnehmen müsste. Das entspricht etwa 300 und 500 Plätze weniger an anderen Orten in Stuttgart. Gleichzeitig lässt der Oberbürgermeister das Land wissen, dass Stuttgart nicht für eine LEA zur Verfügung stehen würde – entgegen dem mehrheitlich vom Gemeinderat getragenen Antrag, der sich der landesweiten Verantwortung stellen möchte. Statt sich der Diskussion zu stellen und mit dem Land darüber zu diskutieren, wo und vor allem unter welchen Bedingungen eine Landeserstaufnahmeeinrichtung an Stuttgarter Standorten zugestimmt wird, verweigert sich der Oberbürgermeister einer unausweichlichen Diskussion. Damit wird uns der Handlungsspielraum genommen, der für die Menschen in den betroffenen Bezirken sehr wichtig wäre. Von anderen LEAs können wir lernen, dass die zusätzlichen Angebote – Sport-, Spiel- und Bewegungsflächen, ein ordentlicher ÖPNV, ausreichend Gesundheitsangebote und Daseinsvorsorge – allen Menschen im Bezirk nachhaltig guttun. Wir erwarten vom Oberbürgermeister, dass er sich beim Land Baden-Württemberg der Diskussion stellt und sich für die Menschen in Stuttgart einsetzt, um die nötige Akzeptanz vor Ort herzustellen.
Gezeichnet
Clara Streicher
Stefan Conzelmann (Fraktionsvorsitzender)
Jasmin Meergans (Fraktionsvorsitzende)